Freitag, 9. November 2012

Izmir IV: Das hämophile Kind // The haemophiliac child


English translation: see below

Europa ist bislang nicht bereit, syrische Flüchtlinge, die momentan als Binnenflüchtlinge in Syrien oder in den Auffanglagern der Nachbarstaaten leben, aufzunehmen. Der deutsche Außenminister Guido Westerwelle äußerte sich jedoch kürzlich dahingehend, dass Deutschland im Prinzip bereit sei, „Flüchtlinge bei uns aufzunehmen, zum Beispiel zu medizinischen Behandlungen. Und das wird auch geschehen.“ [1] Ein solches Vorgehen könne es jedoch nur als gemeinsames Vorgehen der EU und in Absprache mit den Vereinten Nationen geben. Ist der Verweis auf ein koordiniertes Vorgehen mit der EU und den UN eine Aufschiebetaktik, um nicht in die Bredouille zu geraten, Worten auch Taten folgen lassen zu müssen oder gibt es tatsächlich diplomatische Bestrebungen, eine medizinische Notversorgung zu gewährleisten? So oder so, an den europäischen Außengrenzen besteht akuter Handlungsbedarf.

Loran Shamdin ist zwei Jahre alt und leidet unter Hämophilie, auch als „Bluterkrankheit“ bekannt. Der kleine Junge ist blass, die krausen Locken fallen in ein gezeichnetes Gesicht. Etwas Weises liegt in seinem Blick, während er geistesabwesend mit der Gebetskette seines Vaters spielt. Wir sitzen auf den Stufen einer Billigabsteige im Stadteil Basmane in Izmir, einer Großstadt an der türkischen Agäis. Lorans Familie kommt aus den kurdischen Gebieten in Syrien und ist wegen der Kampfhandlungen, die auf Demonstrationen gegen Machthaber Assad folgten, in die Türkei geflohen. Die Eltern und ihre drei Kinder fuhren über die Grenze in die kurdischen Gebiete Iraks, um dann nachts den Grenzfluss zur Türkei zu überqueren und einen Bus nach Izmir zu nehmen. Sie hatten gehört, dass dort die europäische Grenze nicht weit sei – und außerdem herrsche dort ein für die Türkei verhältnismäßig tolerantes Klima gegenüber Kurden.

Loran (Mitte) und sein Vater warten schon wochenlang darauf, dass etwas passiert. // Since weeks, Loran (center) and his father are waiting for something to happen.
Die Kurdenfrage in der Türkei ist weiterhin ungelöst. Zwar ist unter der Regierung des konservativen AKP-Ministerpräsident Erdogan einiges unternommen worden, um die kulturellen Rechte der Kurden zu verbessern – kurdische Fernsehsender wurden genehmigt und es gibt offenbar sogar vereinzelt kurdischsprachigen Schulunterricht. Eine umfassende Anerkennung kurdischer kultureller oder gar politischer Identität, wie sie von vielen kurdischen Gruppen gefordert werden, jedoch ist weiterhin nicht absehbar. Während der Regierungsperioden der kemalistischen CHP war meist wenig Platz für kurdische Fragen, zu sehr hing man an den vermeintlichen Vorgaben des allgegenwärtigen Idols: Staatsgründer Atatürk hatte ganz bewusst das Türkentum als Identifikationsnukleus für die 1923 gegründete Republik gewählt, um dem islamischen Sultanat, das religiöse und politische Führung in einer Person vereinte, etwas entgegenzustellen. Für Kurdentum war kein Platz.

In den 70er und 80er Jahren wurde dann verstärkt gegen kurdische Autonomiebestrebungen vorgegangen: Wer kurdisch sprach, schrieb oder auch nur ein kritisches Wort gegenüber der Zentralregierung verlor, lief Gefahr, eingesperrt und gefoltert zu werden. Nach Jahren der Assimilation sprechen mittlerweile viele junge kurdischstämmige Türken ihre Muttersprache nicht mehr. Auch wenn Erdogans AKP tendenziell eher für eine muslimisch-liberale statt nationaltürkische Identität steht: Das auf die Hauptstadt Ankara zentrierte Regierungssystem der Türkei lässt dezentralere Strukturen nach wie vor kaum zu, wie sie nötig wären, um den kulturellen und politischen Eigenheiten des kurdischen Südostens gerecht zu werden. Die politische Türkei wird von Istanbul, Ankara und Izmir aus dominiert.

Die kurdischen Gebiete erstrecken sich über Teile der Türkei, Irans, Iraks und Syriens. Im Laufe des Jahres 2011 hat die syrische Armee ihre Präsenz im kurdischen Nordosten aufgegeben, verschiedene kurdische Gruppen organisieren sich nun dort und nutzen das Machtvakuum, um in Kooperation mit Kurden im teilautonomen Nordirak Fakten zu ihren Gunsten zu schaffen. Die PKK und ihr syrisches Pendant, die PYU, kontrollieren einen Großteil der dortigen Gebiete und Grenzen. Das gefällt der türkischen Regierung natürlich gar nicht. Man befürchtet ein Wiederaufflammen der kurdischen Autonomiebestrebungen und will das Kurdenthema am liebsten unter den Tisch kehren. Dass syrische Kurden scharenweise in der Türkei Schutz suchen, passt nicht in das Konzept dieser Politik. Izmir war jedoch schon in den 80er Jahren eine der wichtigsten Städte für die wenigen Kurden im Westen der Türkei: Als Handelszentrum versprach es Arbeit, als Hafenstadt eine schöne Lage am Meer und als moderne Stadt die notwendige kulturelle Toleranz – nun gewinnt auch die geographische Nähe zu Europa vermehrt an Gewicht.

Lorans Vater zeigt das Schreiben mit dem medizinischen Befund eines Krankenhauses in Izmir. //  Loran's father displays the letter with the diagnostic findings of a hospital in Izmir
Loran Shamdin und seine Eltern sind in Izmir als Flüchtlinge registriert und haben aufgrunddessen auch das Recht auf medizinische Versorgung – zumindest in der Theorie. Demet Gül von der Flüchtlingsorganisation Mültecin Der in Izmir erklärt uns jedoch, dass es immensen bürokratischen Aufwands bedürfe, diesem Recht auch zur Umsetzung zu verhelfen: In der Realität würde fast kein Flüchtling medizinisch versorgt, die Zuzahlungen in Krankenhäusern seien für Flüchtlinge besonders hoch. Loran ist mit seiner Hämophilie zwar bei der Gesundheitsbehörde registriert, vom türkischen Staat wird jedoch nichts weiter unternommen. So harren seine Eltern aus und hoffen, dass es zu keinen Zwischenfällen kommt, denn eine nächtliche Flucht über den Landweg ist angesichts der Gefahren durch Wassergräben, Hunde, Dornen und Zäune ausgeschlossen: Wenn Loran sich auch nur leicht verletzte, würde das seinen sicheren Tod bedeuten. Auch mit den Booten der Menschenschlepper wollen sie nicht fahren, da niemand in der Familie wirklich schwimmen kann. Immer wieder fragen sie uns, ob Europa nicht helfen könne und wir können immer wieder nur sagen: Wenn ihr es irgendwie nach Deutschland schafft, dann könnt ihr dort Asyl beantragen und medizinische Versorgung erhalten. Von Izmir aus besteht jedoch leider derzeit keine Möglichkeit, euch zu helfen.

Eine absurde Situation: Wer es illegal über die Grenze schafft, kann Asyl beantragen und wird erst mal geduldet. Wie so oft, schaffen es die Mutigen, Jungen und Starken – die Alten, Kinder und Schwachen jedoch bleiben auf der Strecke. Würden ernsthafte Bemühungen bestehen, syrische Flüchtlinge medizinisch zu behandeln, so bedürfte es konkreter Anlaufstellen für Hilfesuchende. Doch die gibt es nicht. Mültecin Der ist eine der wenigen aktiven Nichtregierungsoranisationen und ihre Einschätzung ist ernüchternd: In der Türkei gibt es kein Asylgesetz und damit keine Regelung der Rechte von Flüchtlingen. Alles werde aufgrund von Verordnungen der Exekutive gehandhabt, weshalb Rechtsunsicherheit und Willkür herrsche. Man könne keine klare Auskunft geben. Auch die internationale Flüchtlingsstelle UNHCR sei überfordert und nicht immer da, wenn es um konkrete Hilfe wie im Falle Lorans geht.

Genau für einen solchen Fall wie den von Loran Shamdin bedürfe es einer europäischen Initiative, meint Demet Gül von Mültecin Der. Europa müsse Geld in Hand nehmen, es müsse eine politische Entscheidung und deren konkrete Umsetzung geben. Solange dies nicht geschehe, werde faktisch alle Verantwortung an die türkischen Behörden abgeschoben, welche weder gesetzlich verpflichtet, noch faktisch in der Lage sind, zu helfen. Mültecin Der lobbyiert schon seit zwei Jahren für die baldige Umsetzung der angekündigten Asylgesetzs, doch die Abstimmung darüber ist zuletzt (vielleicht gerade angesichts der schwierigen Flüchtlingssituation) immer wieder verschoben worden.

Wir unterhalten uns gegenüber dem Hotel mit Lorans Familie und anderen syrischen Flüchtlingen. // Sitting and talking with Loran's family and other Syrian refugees over the road from the hotel.

Loran und seine Familie sind so die Leidtragenden einer verfahrenen und absurden Situation, die sich durch die Versprechungen des deutschen Außenministers Westerwelle nicht geändert hat. Dazu müsste er seinen Worten auch Taten folgen lassen. Im Fall von Loran Shamdin wäre es verhältnismäßig unkompliziert, die Familie über Mültecin Der in Izmir zu lokalisieren und sie über die deutsche Botschaft zur medizinischen Versorgung in die Bundesrepublik schaffen zu lassen. Solange das nicht geschicht, sind Westerwelles Worte leider nicht einmal ein Tropfen auf den heißen Stein.

---------------

Until now, Europe is not willing to give asylum to Syrian refugees, most of them internally displaced and some taking refuge in the neighbouring countries' camps. Nevertheless, German foreign minister Guido Westerwelle recently said Germany would be willing to "accomodate refugees, e.g. for medical treatment. This is going to happen." [1] This could, however, only be a conjoint line of action, including European Union and United Nations. Should this reference to the necessity of a coordinated approach be assessed as an excuse so not to have to actually act on that promise or are there existing diplomatic affords to grant a medical emergency treatment? Anyhow, at the borders of Europe there is a need for immediate action.

Loran Shamdin is two years old and is suffering from haemophilia, commonly known as "bleeding disorder". The small boy looks pale, his frizzy curls hanging in his marked face. Something wise dwells in his deep gaze, as he is absentmindedly playing with his father prayer beads. We are sitting on the steps of a cheap hotel in the middle of Basmane, the poorer quarter of Izmir, a metropolis at the Turkish Aegean Sea. Because of the civil war following up the mass protests and rallies against Assad, Loran's family fled from the Kurdish areas in Syria into Turkey. The parents and their three kids went into northern Iraqi Kurdistan first in order to cross the border river to Turkey at night and from there take a bus to Izmir. They had heard from there it wouldn't be far to Europe – and, moreover, they would find the most tolerant climate possible in Turkey towards the Kurdish.

The Kurdish issue still remains unsolved in Turkey. Sure, the Erdogan government of the AKP brought some measure on the way in order to improve cultural rights of Kurdish people – such as licensing of Kurdish television or even some allowance for school education in Kurdish language. Yet still, a comprehensive recognition of Kurdish cultural or even political identity, as demanded by many Kurdish groups, is not to be expected soon. During the rule of the Kemalist CHP there was barely space for Kurdish matters, way too strict they adhered to the guidelines of the all-time-present idol: Founder of state, Kemal Atatürk, had chosen the Turkdom as an identification nucleus quite intentionally, when in 1923 the Turkish republic was founded. He needed to establish a new counter-identity able to successfully oppose the islamic sultanate which used to combine religious and political leadership in the same person. So there was no space left for Kurdity.

Later in the 70's and 80's there was much resistance against Kurdish efforts for autonomy. Who was speaking or writing Kurdish or dared to criticize the central government was in danger to be imprisoned and tortured. After years of assimilation, many young Turks with Kurdish origin don't speak their language anymore. Although Erdogan and his AKP might stand for a moderate muslim and liberal rather than for a Turk nationalist identity, the governmental system of Turkey is still centred towards Ankara, not providing for more decentralized structures as they would be necessary in order to allow for the cultural and political specifics and distinctions of the Kurdish south-east. The political Turkey is still being run from Istanbul, Ankara and Izmir.

The Kurdish area covers wide parts of Turkey, Iran, Iraq and Syria. In 2011, the Syrian army withdrew from the country's north-east and several Kurdish groups took over. They are reorganizing and use the vacuum of power in order to factualize the situation to their advance, in cooperation with Kurdish groups from the partly autonomous Kurdistan in northern Iraq. The PKK and their Syrian counterpart, the PYU, control the most part of the north-east Syrian region and it's borders. Of course this is not to the liking of the Turkish government, for they fear a reinflammation of the Kurdish struggles for autonomy they want to rather draw the curtain over. Thousands of Kurdish Syrians, seeking asylum in Turkey – they does not fit in this policy. However, since the 80's, Izmir has been one of the most important cities for Kurds in western Turkey.: As a center of trade it was promising jobs, as a harbour city a proximity to the sea and as a modern city a certain cultural tolerance – meanwhile, the geographical proximity to Europe gains weight for them as well.

Loran Shamdin and his parents are registered as refugees and thus have a right to medical treatment – at least in theory. Demet Gül from the refugee organisation Mültecin Der explains to us the immense bureaucratic afford which is needed to put this right to realisation: In reality, almost none of the refugees are medically cared for, the extra payment is especially high for refugees. Loran's haemophilia is registrated with the health authorities, nevertheless, from the part of goverment there are no steps expected to be taken. Thus, his parents persevere in Izmir and hope that there would be no incidents. A nightly escape through the land border's water ditches, barb wires, thorns and watch dogs is just impossible: Just a single scratch could cost Loran's life. The human trafficker's boats are not an option either, for none of the family can actually swim. So they ask us again and again whether Europe could help them and we have to answer again and again that our hands are bound. Only if you make it to Germany, then you can apply for asylum there and get medical treatment for Loran. But that is way too dangerous and from here, from Izmir, it is impossible for us to help you right now, because of the political and juridical situation in Europe.

It's an absurd and almost gross situation: Who makes it across the border illegally, will be able to apply for asylum and will be tolerated for now. As always, the brave, young, strong make it – the old, too young and the weak stay behind. If there would be serious efforts to help Syrian refugees medically, there would be need for specific contact bureaus for people in need for help. But there are none. Mültecin Der is one of the few active non-governmental refugee relief organisations and their assessment of the situation is disillusioning: There is no legislation on asylum in Turkey, an asylum law simply doesn't exist, and thus there is no official interpretation of refugee's right. Refugees are being dealt with only according to executive decrees, which is causing uncertainty of law and arbitrariness of action. It is impossible to give authoritative and reliable information as to legal status and treatment, even the international refugee office UNHCR is unable to cope with the situation, especially when asked for practical help as in Loran's case.

Exactly for such a case as that of Loran Shamdin there is need for a European initiative, says Demet Gül of Mültecin Der. Europe would have to make a political decision, followed by investing some money into it's implementation. As long as this does not happen, as long as Europe keeps abdicating from it's responsibility, Turkish officials will stay solely responsible, confronted with a situation where they are neither lawfully obliged nor financially enabled to act and help. Since almost two years, Mültecin Der is lobbying towards a speedy implementation of the promised asylum law, but just recently the vote about it was adjourned once more, possibly just due to the current refugee situation.

Thus, Loran and his family remain the ones who suffer from an intricate and absurd situation that has not changed a bit with the obove mentioned statement of German minister of foreign affairs Guide Westerwelle. To achieve a factual change in that situation, he would have to actually act instead of only talking about helping. In the given case of Loran Shamdin, it would be comparatively uncomplicated to contact the family via Mültecin Der and to bring them to Germany for medical treament via the German embassy. As long as that doesnt happen, Westerwelle's words are not even a drop in the bucket.


Dienstag, 6. November 2012

Izmir III: Der redselige Schlepper // The talkative trafficker

English version: see below

Der „Pascha-Palast“ ist eine heruntergekommene Absteige, in der sich Flüchtlinge und arme Reisende die Klinke in die Hand geben. Man trifft auf eritreische Kindersoldatinnen, paschtunische Talibangegner, entkommene Sklaven, syrisch-kurdische Intellektuelle – und ab und zu verirrt sich auch mal der ein oder andere westliche Journalist hierher. Die Bediensteten reichen einen cay, falls auf einem der abgesessenen Polstermöbel in der Lobby Platz genommen wird. Sobald ein Gast sitzt, gesellen sich schnell andere hinzu und ein Gespräch beginnt. Während sich drei afrikanische Männer lauthals in ihrem Zimmer im ersten Stock streiten, starrt ein kahlgeschorener Afghane auf die Nachrichten im türkischen Fernsehen.

Hismet schaut wie jeden Tag auch heute auf seinem Morgenspaziergang durch den Stadtteil Basmane im Pascha-Palast vorbei. Hismet ist Menschenschlepper. Erst vor einem Monat wurde er nach zwei Jahren Haft aus dem Gefängnis entlassen, er war im Vorfeld eines geplanten Boots-Transfers festgenommen worden. Die erhöhten Strafen für Menschenschmuggel in der Türkei ärgern ihn zwar, doch halten sie ihn nicht davon ab, weiter nach potentiellen Kunden Ausschau zu halten. "Frischfleisch", denkt er sich, als sein Blick auf Abru fällt, einen jungen Palästinenser, der sich gerade auf einen der plüschroten Sessel gefläzt hat und auf den ersten Tee des Tages wartet.

Wie gewohnt geht Hismets Gang als erstes nach hinten ins nobel ausgestatte Büro des Hotelbesitzer Yilmaz. Der großgewachsene, dicke Mann mit stattlichem Bart legt seinen mit einer osmanischen Kalligraphie versehenen Arm um den Neuankömmling und bringt ihn nach ein paar Worten zurück in die Lobby, wo er mit einem leichtem Kopfnicken zwei cay herbeikommen lässt. Unauffällig blickt Hismet hinüber zu Abru. Yilmaz gibt ihm mit einem kurzen Augenzwinkern zu verstehen, dass jener auf der Suche nach einem Boot sei. Ein leichtes Lächeln huscht über Hismets Gesicht als er aufsteht und sich mit leichter Verbeugung und warmem Händedruck vorstellt. Er fackelt nicht lange und sagt auf arabisch, dass er "Schmuggler" sei und Abru gerne auf einen Tee einladen wolle. Dieser sagt erfreut zu. 

Potentielle Kunden für Hismet gibt es in Izmir genug // There is no lack of customers for Hismet's business in Izmir

Auf dem Platz vor der Hatuniye Moschee herrscht munteres Treiben. Vereinzelt sitzen alte Männer auf den Parkbänken und starren Löcher in die Luft. Der irre Hüseyin läuft klatschend und jubelnd die Marktstraße hinab und wirft einer am Bordsteinrand kauernden syrischen Familie fünf Lira vor die Füße. Im Vorbeigehen steckt Hismet dem kranken Kurtulus eine Zigarette hin, die dieser mit seinen verwundeten Händen in den Mund schiebt und sich zittrig anstecken lässt - mit dem Ausatmen haucht er ein schwaches tesekürler hervor. Basmane ist voll von gezeichneten Menschen. Im Karadeniz Kiraathanesi sitzen bereits Hismets Handlanger Murat und Kemal. Abru ist nervös, als er die beiden anderen sieht und greift dennoch bereitwillig zu, als Hismet ihm eine Bensons anbietet.

„Du willst also nach Europa?“, fragt der etwas knöchrige Kemal geradeheraus. „Ja, nach Frankfurt, will ich, in Deutschland. Da hab ich mal studiert und dahin will ich wieder zurück“, antwortet Abru und fügt zögernd hinzu: „Eigentlich wollte ich oben in Griechenland über den Evros, aber meinem Kumpel Masar wurde dort vor ein paar Wochen von einem Hund das Gesicht zerbissen. Vielleicht ist es mit dem Boot doch leichter.“ Murat, der gar nicht richtig zugehört hat, sagt seinen Standardsatz: „Der Spaß kostet Dich 1000 Dollar. Keine Verhandlungsbasis. Wir bringen Dich auf eine griechische Insel und Basta. Die Hälfte zahlst Du vorab, den Rest bei Ankunft. Tamam?“ – Abru wirft die noch nicht ganz abgebrannte Zigarette wahllos auf den Boden und nippt an seinem Glas Tee. „Ich zahle erst dann, wenn ich meinen Fuß auf europäischen Boden gesetzt habe.“

Jetzt ist Hismet dran, ein Machtwort muss her: „Hör mal zu, Bruder. Wir müssen schließlich auch den Bootskapitän zahlen und ein Boot leihen. Glaubst Du etwa, das bezahlt sich von selbst? Junge, ich bin gerade erst aus dem Knast raus und glaub mir, ich nehm kein Geld mehr in die Hand für arme Schlucker.“ Abru legt eine Lira-Münze auf den Tisch und steht auf: „Ich überlegs mir!“ Die drei Schlepper grinsen sich zu, als der junge Mann sich auf den Rückweg zum Hotel macht. „Der weiß wohl noch nix von dem gesunken Boot mit den Syrern“, raunt Kemal in die Runde.

Vor zwei Wochen ist ein Boot gerade mal 50 Meter von der griechischen Grenze auf Grund gelaufen und gesunken, dabei sind etwa 60 der 100 Insassen zu Tode gekommen. Weil sie nicht schwimmen konnten oder unter Deck eingesperrt waren. Seitdem ist der Umsatz von Hismet stark nach unten gegangen, auch die türkische Polizei patrouilliert seitdem verstärkt. „Langsam muss Kohle her, meine Frau macht langsam schon Druck zuhause. Die drei Schwarzen sind auf jeden Fall dabei. Die zahlen zwar erst am Ende – aber die haben die Asche, das weiß ich.“ Er wendet sich an den schmächtigen Kemal mit dem sauber gebügelten Hemd. „Kemal, fahr morgen bitte runter zum Hafen und red mit dem Kapitän, ob der auch schon mit der Hälfte vorab leben kann. Dieser Halsabschneider will ja tatsächlich 15.000 Dollar für Boot und Kapitän. Versuch ihn auf 12.000 runterzuhandeln. Sonst bleibt ja kaum mehr was für uns übrig. Sag ihm das ruhig. Ich geh doch für 2.000 Dollar nicht weitere drei bis acht Jahre in den Bau!“

Wütend steht der stämmige Mann mit dem dichten Dreitagebart auf und ignoriert geflissentlich, dass der kleine Hocker rücklinks umfällt. Er drückt dem Kellner fünf Lira in die Hand und setzt sich gedankenverloren in Richtung Moschee ab. Zeit zum Beten. Der Muezzin fängt an zu rufen, als Hismet sich die Schuhe auszieht und mit der rituellen Waschung beginnt.

Essensausgabe an syrische Flüchtlinge // Food bank for syrian refugees

The Pasha Palace is a scruffy fleabag where refugees and poor travellers flock together. You can find here Eritrean child soldiers, Pashtun rebels, Darfuri slaves and Kurdish-Syrian intellectuals, occasionally one or two western journalists as well. The employees bring a cay, if one sits down on one of the worn-out couches in the lobby. Once sitting and drinking, others join in no time and, usually, a vivid conversation starts. As three black African men argue loudly in their room upstairs, a bald-headed Afghan stares at the news in Turkish television.

As every day, Hismet is on his morning walk through the quarter Basmane and drops in at the Pasha Palace's. He is a human trafficker. Just one month ago, he was released from jail after two years of prison; he had been captured in the run-up to a planned refugee boat transfer. The increased penalties for human trafficking in Turkey bother him, yet still they don't keep him from looking for prospective clients. “Fresh meat” he thinks, as he sees Abru, a young Palestinian lolling on the worn-out red couch in the lobby, waiting for the first tea of the day.

As usual, Hismet's first steps in the hotel lead him into the rather luxuriously furnished office of the hotel owner, Yilmaz. The tall and bulky Turk with a stately moustache puts his arm, which is decorated with a Osman calligraphy, around the new arrival and after some words takes him back to the lobby, where he orders two cay with a subtle nodd of his head. Hismet looks unobtrusively at Abru and Yilmaz signifies him with a slight twinkle of his eye that the Afghan would be looking for a boat. A barely noticeable smile spreads on Hismet's face as he rises and introduced himself with a warm hand shake. Not vacillating, he says in Arabic that he is a “Smuggler” and would like to invite Abru for a tea outside. The young Afghan agrees with pleasure.

On the square in front of the Hatuniye mosque there's vivid coming and going. Every now and there some old men sit on benches in the park and stare off into space. The crazy Hüseyin runs down the market street, throwing five Lira at a Syrian family cowering against the curb, while he is clapping and cheering. As Hismet walks past the sick Kurtulus and offers him a cigarette, the latter puts it to his mouth with wounded fingers, looking up to Hismet, tremulously and without words asking for a lighter. Breathing out the first puff of smoke, he is uttering a feint teshekürler, “thanks”. Basmane is full of these worn-out persons marked by life. In Karadeniz Kirathanesi, Hismet's helpers Murat and Kemal are already waiting. Seeing them, at first Abru gets nervous, but then he takes the offered Benson's. 



“So you want to get to Europe?” the boney Kemal asks rightaway. “Yes, I want to go to Frankfurt, in Germany. I once studied there and I want to go back there”, Abru answers and adds with a slight hesitation: “I was planning on crossing the Evros river at the border to Greece, but a buddy of mine had his whole face bitten by dogs there, some weeks ago. So perhaps it is easier with a boat?” Murat, who hadn't really followed what Ebru was saying, answers with his standard response: “It's 1000 Dollar. No bargaining. We just take you to a Greek island and nothing else. Half the money you pay in advance and half when you get there. Tamam?” – Abru snips the half smoked cigarette to the ground and takes a sip from his tea glass. “I won't pay before I reach European territory.”

Now it's Hismet's turn to put his foot down. “Listen closely, brother. We have to pay for boat and crew. Do you think they pop out of thin air? Boy, I was just released from jail and you can believe me, I am not going to pay for poor dreamer's bills!” Abru puts a Lira coin on the table and rises. “I will consider it.” The three traffickers smile at each other, as the young man walks back to the hotel. “Obviously he hasn't heard yet of the sunken boat with the Syrians”, Kemal whispers.

Two weeks ago, a fishing boat run onto ground barely 50 metres away from the Greek shores, it sank. About 60 of the 100 passengers died, either because they couldn't swim or because they were locked under deck. Since that day, Hismet's business went down the river, Turkish police is also increasedly patrouilling the area now. “I need the money soon. My wife complains everyday. The three Africans are in, and they got the bucks, I know, although they will pay only in case of success.” He turns towards the slim Kemal with the clean and ironed shirt. “Kemal, please drive down to the harbour tomorrow and talk to the Captain. Maybe he can live with only half in advance? This cutthroat really wants 15 000 dollars for boat and crew, so try to bargain for 12 000, otherwise there will be nothing left for us. You can tell him that! I won't risk another two to eight years of prison just for some 2 000 dollars!”

The bulky man with a thin beard rises angrily, stately ignoring that the stool he was sitting on is falling backward onto the street. Throwing five Lira into the servant's hand, he walks away towards the mosque, absorbed in thoughts. Prayer time. The muezzin begins to call, as Hismet takes off his shoes and starts the ritual washing.

Freitag, 2. November 2012

Izmir II: Der einsame Darfuri // The lonely Darfuri

English version: see below.

Die Eltern von Ahmad und Azed Alyias lebten und arbeiteten, ebenso wie ihre Eltern und Großeltern, in einer Familie von Viehbauern unweit des kleinen Wüstenstädtchens Kutum, etwa 40 Minuten nordwestlich der 280.000-Menschen-Metropole Al-Fashir im südwestlichen Sudan gelegen. Schon seit Jahrtausenden war diese Region – wir kennen sie heute unter dem Namen Darfur – eine wichtige Basis für pharaonisch-ägyptische, islamisch-arabische und später ottomanisch-türkische Sklavenhändler: Sie kauften Menschen, die in Konflikten zwischen lokalen Siedlungen und Stämmen in Gefangenschaft und damit in Leibeigenschaft geraten waren – oder raubten sie einfach direkt aus ihren Siedlungen und von ihren Feldern. Seit vielen Generationen leben die Menschen hier daher in ständiger Angst, von heute auf morgen ihre Freiheit verlieren und für den Rest ihres Leben weit weg verkauft werden zu können.

Durch den massenhaften Sklavenexport, der auch im 20. Jahrhundert unter britischen, belgischen, französischen und ägyptischen Besatzern weitergeführt wurde, hat diese Angst bis heute nichts von ihrer Aktualität verloren. Nicht nur, weil es auch im 21. Jahrhundert und bis heute immer wieder sowohl zu gezielten Sklavenjagden als auch zu Versklavungen unterlegener Kriegsgegner kam und kommt, sondern vor allem auch wegen der anhaltenden Separationskämpfe, die immense Flüchtlingsbewegungen verursachen. Sudan, Südsudan sowie die Bürgerkriegsregion Darfur gelten nach Angaben des Internal Displacement Monitoring Centre (IDMC) in Genf als die Region mit den meisten Binnenvertriebenen weltweit; gleichzeitig tauchen immer wieder Beweise auf, dass die Sklaverei in der Region nach wie vor boomt, obwohl die jeweiligen Regierungen sich gegen diese Behauptung schärfstens verwehren. Auch nach dem Waffenstillstand zwischen Sudan und Südsudan von 2005 tobt in der Region Darfur bis heute ein mit höchst brutalen und menschenverachtenden Mitteln geführter Bürgerkrieg, der viele Menschen aus ihrer Heimat vertreibt, im verzweifelten Versuch, ihr nacktes Leben zu retten.

Der Park in Basmane. Ein Obdachloser hat seine Habseligkeiten an den Baum gehängt. // A central square in Basmane. A homeless person put her belongings up on a tree.

Ahmad Alyias ist einer dieser Menschen. Bereits als Jugendlicher in eine der Bürgerkriegsarmeen zwangsrekrutiert, wagte der gebürtige Darfuri es vor knapp anderthalb Jahren, sich unter Lebensgefahr erst nach Ägypten und dann mit Hilfe von Menschenschleppern weiter Richtung Norden in die Türkei abzusetzen. Ich treffe ihn in einem billigen Hotel in Izmir, einer Millionenstadt an der türkischen Ägäis, von wo aus zehntausende Flüchtlinge auf den Absprung nach Europa warten. Zusammen mit meinem Kollegen Michael Kolain bin ich hierher gekommen, um Flüchtlinge zu treffen – wir recherchieren im Rahmen eines investigativjournalistischen Projekt die Wege syrischer Flüchtlinge auf dem Weg nach Europa. Eine ortsansässige Flüchtlingsorganisation, mit der wir noch am Morgen gesprochen hatten, hatte uns den Tipp gegeben, einen Blick in die heruntergekommenen Hotels rings um die Moschee des Armenviertels Basmane zu werfen, wenn wir mit Flüchtlingen sprechen wollten.

Neben seiner Muttersprache Dinka spricht Ahmad fließend Arabisch und ein paar Brocken Englisch. Ein Studium in Finnland, das ist sein Ziel, aber um das zu erreichen, muss er dort erstmal unbemerkt ankommen, Asyl beantragen und bewilligt erhalten. "England, Germany, good," sagt er, "student in Finland, best." Einen wirklich detaillierten Plan hat der etwa 30jährige nicht, nur einen Bruder Azed in Deutschland und den nächsten Schritt direkt vor Augen: Die Ägäis zu überqueren, um von dort aufs griechische Festland und weiter nach Nordeuropa zu kommen. "But going Europe, very dangerous. Boat dangerous. No swim. Good friend dead last week." Letzte Woche sei ein Boot gesunken, etwa 60 Flüchtlinge seien dabei ums Leben gekommen, unter ihnen ein guter Freund, mit dem er aus dem Sudan bis hierher gekommen sei.

Im Sudan war die Familie Alyias nicht arm. Als Angehörige der Dinka-Ethnie gehörten sie nicht zu den Hauptopfern der häufigen Massaker, als Viehbauern – unter britischer Herrschaft wurden viele Dinka rings um die britischen Kolonialposten sesshaft – führten sie ein verhältnismäßig abgesichertes Leben. Auch jetzt ist Geld nicht das größte Hindernis für Ahmads Pläne. Gemeinsam organisieren mehrere Dinka-Flüchtlingen von Izmir aus nach und nach ausreichend Finanzmittel, um für jeweils einen Flüchtling die nötigen 1000 Dollar für eine Überfahrt in einem der größeren Fischerboote bereitstellen zu können. Durch den Tod seines Freundes ist er nun als Nächster an der Reihe, das Geld hätte nach erfolgreicher Überfahrt nach Chios bezahlt werden sollen, nun steht es Ahmad zur Verfügung.
Doch die Überfahrt ist gefährlich, nicht nur für die Flüchtlinge, sondern auch für die Schlepper – die Türkei hat kürzlich auch den Versuch des Menschenschmuggels unter eine erhebliche Gefängnisstrafe gestellt, was viele Schlepper und Fischer inzwischen von diesem ehemals lukrativen Nebenverdienst abschreckt.

Für Ahmad Alyias ist eine Rückkehr in den Sudan keine Option: Bis auf seinen Bruder Azed in Deutschland ist seine ganze ihm bekannte Familie seines Wissens tot und auch ihm droht die sichere Hinrichtung als Deserteur, sollte er in seine Heimat zurückkehren. Der einsame Darfuri kennt nur eine Richtung: Vorwärts. Im Versuch, der Sklaverei der Bürgerkriegsmilizen zu entkommen, durchlebte Ahmat eine wahre Odyssee – nur um schließlich die Tore Europas verschlossen und sich selbst erneut machtlos wiederzufinden, diesmal nicht den machetenschwingenden Mördern seiner Familie, sondern europäischen Bürokraten ausgeliefert. "Frontex hat meinen Freund auf dem Gewissen," erklärt er mir in gebrochenem Englisch, "nur aus Angst vor Frontex wurden die Flüchtlinge unter Deck eingesperrt." Seine Augen wenden sich während dieser Worte von mir ab und starren auf den Boden, während sie sich kaum bemerkbar mit Tränen füllen. Am nächsten Tage spreche ihn noch einmal kurz, gebe ihm meine Telefonnummer in Deutschland und er mir die seines Bruders. Falls er es nach Deutschland schafft, kann ich versuchen, ihm dort anwaltliche Unterstützung zu organisieren. Wieder mit mir reden will er nicht, er meidet mich von da an, grüßt nicht zurück und schaut mich nicht mehr an. Vielleicht hat er Angst, vor den Anderen zuviel erzählt zu haben? Nur zum Abschied, als ich mit dem Rucksack das Hotel verlasse, zwinkert er mir mit einem ernsten Lächeln zu und legt seine Hand aufs Herz.



Ahmad möchte nicht, dass wir Bilder von ihm machen. Wir interviewen ihn in einem Teegarten. // Ahmad does not want his pictures to be taken while we interview him in a tea-garden.


Just like their ancestors, the parents of Ahmad and Azed Alyias lived and worked as cattle farmers close to the small desert city Kutum, about forty minutes north-west of the 280k metropolis Al-Fashir in south-west Sudan. Since thousands of years, this region – today known as Darfur – has been an important base for slave traders under pharaonic, islamic or ottoman rule. They bought people who had been captured into slavery during conflicts of local settlements or tribes, if they not directly captured people from their settlements and their fields themselves. Thus, for many generations people in this area lived in permanent fear of losing freedom, being sold into far away countries for the rest of their lives.

This fear lost nothing of its actuality and topicality, due to the massive slave export still going on in 20th century under british, belgian, french and egypt occupations. Not only because there still were and are organized slave hunts and enslavement of defeated enemies long into the 21th century and even until today, but also because of the ongoing hostilities about separation, causing immense refugee movements. Sudan and South Sudan as well as the civil war region Darfur stand as the area with the most internal refugees worldwide, says Internal Displacement Monitoring Centre (IDMC) in Geneve. Nevertheless every now and then there is new proof that slavery is still prospering in this region, although the governments officially deny this sharply. Even after the ceasefire between Sudan and South Sudan, civil war is raging there with brutality and dehumanizing measures still today; men and women are expelled from their homes, desperately trying to save their bare lives.

Ahmad Alyias is one of these men. Forced into one of the civil war armies as a youth, he dared escaping under danger of life first to Egypt and then with human traffickers further north into Turkey. I meet him in a cheap Hotel in Izmir, a megacity close to the Aegean Sea, from where thousands of refugees try to get to Europe somehow. Together with my collegue and friend, Michael Kolain, I came here to meet refugees – we are investigating for a project about the paths of Syrian refugees on their way into Europe. A local refugee organisation we talked to in the morning pointed us towards the worn-out hotels around Basmane's mosque, if we wanted to talk with refugees.

Apart fom Dinka, his mother tongue, Ahmad speaks fluent Arabic and some English. To study in Finland, that is his goal, but to achieve it he would have to get there unidentified first, apply for asylum – and get it granted! "England, Germany good" he says in broken English, "student in Finland best." The thirty year old doesn't have a detailed plan, just a brother, Azed, in Germany and the next step right before his face:  To cross the Aegean Sea to get to the greek mainland and from there up to Northern Europe. "But going Europe, very dangerous. Boat dangerous. No swim. Good friend dead last week." Last week a boat sunk, about 60 refugees died – a good old friend he knew from Sudan amongst them. Ahmad cannot swim.

Ein Katze im Armenviertel Basmane. // A cat in the slum of Basmane.

In Sudan, the Alyias family wasn't poor. As members of the Dinka ethnic group, they did not belong to the main victims of the frequent massacres, as cattle farmers – under british rule, many Dinka settled around the British colonial posts – they led a decent and comparatively secured life. Even today, money is not the biggest obstacle for Ahmad's plans. Together with some other Dinka refugees in Izmir, he is organising money to pay the traffickers to get them one by one over to Greece in a more secure fisher boat: 1000 dollar per head. Because of the recent death of his friend, now he is next in the row: The money should had been paid after a successful traverse to Chios, now Ahmad can use it. But the traverse is dangerous not only for the refugees but also for the traffickers – Turkey recently passed a law penalising even the attempt of trafficking with several years, deterring traffickers and fishermen from this once profitable auxiliary income.


To Ahmad Alyias, returning to Sudan is not an option. Apart from his brother Azed in Germany, he believes his whole family dead and he is sure that in Sudan nothing awaits him but execution as a deserter in case he returns home. The lonely Darfuri knows only one direction: forward. Trying to escape enslavement by the civil war milita, he lived through a true odyssey – just to find the Gates of Europa closed and himself once more rendered powerless, this time delivered not to the machete swinging murderers of his family but to European bureaucrats. "Frontex killed my friend" he explains in broken English, "fear of frontex made captain put them underdeck". With these words, his eyes turn away from  me towards the floor and subtly fill with tears. Next day I talk to him only briefly, write down my phone number for him and that one of his brother for me. If he makes it to Germany, I can at least try to arrange for some attorney to help him. He refuses to talk with me again, avoids me from there, doesn't greet back and doesn't look at me any more. Maybe he is afraid to have been to talkative in front of all the others? Only for farewell, as I leave the hotel with my backpack, he smiles at me in a severe manner and puts his hand to his heart.

Izmir I: "Refugees and traffickers" – Paths and fates in the refugee quarters of Basmane // "Flüchtlinge und Schlepper" – Wege und Schicksale im Armenviertel Basmane


Beitrag in deutscher Sprache: siehe unten.

Regarding the weather situation, our departure is perfectly timed: Just a few hours after we had left Antakya – not without shooting some picture in the park of the Syrians and restocking our supplies for the 17 hour bus nighttrip – a big thunderstorm unleashed his power on southern turkey. Due to an engine breakdown, we watch it from the side of the road, but after an hour we are glad to be able to go on with the same bus, for we already have an appointment with a refugee organisation in Izmir.

The three million people city of Izmir is Turkey's third largest metropole, situated at the Aegean Sea side. On the map, the Greek islands of Chios, Lesvos and Samos seem to be just a stone's throw away. We are presuming that there has been a (re-)shift of refugee routes from the land border of the Evros region to the sea border at the Greek islands: According to FRONTEX and some relief organisations, the numbers of refugees crossing the Evros river dropped dramatically, reportedly due to a significant increase of human resources for the surveillance there. [1] What we discover in the Izmir's slums at Basmane and whom we meet there, exceeds our expectations by far: Thousands of refugees live in the cheapest hotels and on on the streets of the city, looking for human traffickers and aiming to gather the money necessary to pay them.
The upcoming days, on this blog we will keep you posted about our experiences in Izmir and about some of the people we met. Stay tuned and be part of it!



Wettertechnisch gesehen verlassen wir Hatay gerade zum rechten Zeitpunkt: Nur wenige Stunden, nachdem wir in Antakya abgefahren sind – natürlich nicht, ohne noch schnell dem Syrer-Park einen Besuch abzustatten, ein paar Fotos zu schießen und uns für die bevorstehende siebzehnstündige Nachtfahrt mit etwas Proviant einzudecken –, bricht ein recht heftiger Sturm los, den wir aufgrund eines Motorschadens vom Straßenrand aus erleben. Nach einer Stunde gehts schließlich doch noch mit diesem Bus weiter; gut für uns, denn wir haben für vormittags bereits einen Termin mit einer Flüchtlingsorganisation in Izmir ausgemacht.

Izmir liegt an der Westküste der Türkei und ist mit drei Millionen Einwohnern die drittgrößte Stadt des Landes. Die griechischen Inseln Chios, Lesvos und Samos in der Ägäis sind auf der Karte nur einen Katzensprung entfernt. Wir vermuten, dass eine Rück-Verschiebung des Flüchtlingsstroms vom Land- auf den Meeresweg hin zu den griechischen Inseln stattgefunden hat: Nach Aussagen der europäischen Grenzpolizei FRONTEX und einiger Hilfsorganisationen sind die Flüchtlingszahlen in der Grenzregion Evros erheblich zurückgegangen, offenbar als Folge einer erheblichen personellen Verstärkung der dortigen Überwachung. [1] Was wir dann schließlich in Izmirs Armenviertel Basmane erleben und wen wir alles treffen, übertrifft das Erwartete schließlich bei weitem: Tausende Flüchtlinge leben in den billigsten Hotels und auf den Straßen der Stadt, suchen Kontakt zu Schleppern und nach Möglichkeiten, sie zu bezahlen.
In den nächsten Tagen werden wir einige unserer Erlebnisse dort und die Menschen, die wir kennengelernt haben, in verschiedenen Formaten auf diesem Blog vorstellen. Bleibt dran und mit dabei!

–––
[1] "The numbers of migrants crossing the Greek-Turkish land border dropped from over 2000 a week in the first week of August to little over 200 in the second week. This is the direct effect of increased surveillance and patrolling activities by the Greek authorities, which included the deployment of an additional 1800 officers along the Evros river at the beginning of August." Quelle: http://www.frontex.europa.eu/news/situational-update-migratory-situation-at-the-greek-turkish-border-HATxN9